Wednesday, October 05, 2005

Fett in die Spüle kippen

Dadurch sollte sich zumindest der berühmt-berüchtigte brain drain ein bisschen bremsen lassen. Was diverse Lobbygruppen nun aber propagieren, geht darüber hinaus: Sie wollen das Rohr frei machen, den Strom aber umdrehen -- deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen zurückkommen, aber nur zu ihren Bedingungen, wenn man es ein wenig überspitzt formulieren will.

Die Gruppen unterscheiden sich hierbei sowohl in ihrer Zusammensetzung, in ihren Forderungen und auch in ihren Methoden. Die "Kooperation aus Wissenschaft und Wirtschaft" German Scholars Organisation (GSO) scheint nicht nur Lobbyarbeit zu betreiben, sondern bietet auch praktische Rückkehrhilfen an. Ebenfalls praktisch und politisch aktiv ist das German Academic International Network von Deutscher Forschungsgemeinschaft, Deutschem Akademischen Austausch Dienst und der Alexander von Humboldt-Stiftung. Die dritte, vom Handelsblatt-Ableger karriere initiiert, Gruppe "Pro Science", ist bisher lediglich in Form eines Manifests in Erscheinung getreten.

Die Forderungen von Pro Science und GSO will ich hier einmal (in leicht gekürzter Form) gegenüberstellen und kommentieren (sorry für das Layout, Blogger scheint mit Tabellen nicht so ganz zurecht zu kommen):



















































GSAPro Science
Auswahl der Besten

Weg von: engen Stellenausschreibungen.

Hin zu: international offenen Bewerbungsverfahren.

Deutschland kann und muss die besten Köpfe der Welt anziehen. Dazu bedarf
es internationaler Berufungskomitees mit mehrheitlich externer Besetzung.
Transparente und zügige Berufungsverfahren

Zur Sicherung eines echten Wettbewerbs um die besten Köpfe fordern wir,
Berufungsverfahren transparenter und nachvollziehbarer zu gestalten sowie die
Kandidaten zeitnah über die Entwicklung des Verfahrens zu informieren [...]
Zur Beschleunigung von Berufungsverfahren ist den Hochschulen volle Autonomie
für die Berufung von Professoren zu geben.
Hier scheint ja im Wesentlichen Einigkeit zu bestehen. Welches
das geeignetste Verfahren wird unter anderem hier diskutiert.

Karrierechancen für den Nachwuchs

Weg von: befristeten Verträgen ohne Perspektive.

Hin zu: Planungssicherheit gegen Leistung.


Nachwuchswissenschaftler brauchen eine Lebensperspektive. Vorbild ist
das US-amerikanische „tenure
track“-Modell: Jeder junge Assistenz-Professor erhält nach fünf Jahren
bei positiver Bewertung durch ein internationales Gremium eine feste Stelle.
Die weitere Karriere an der Hochschule ist an individuelle Forschungs- und Lehrqualität
gekoppelt.

Einrichtung von „tenure track“ : In Anlehnung an das „tenure track“-Verfahren
an amerikanischen Universitäten fordern wir daher, Wissenschaftlern,
die ihre Stelle durch ein reguläres Berufungsverfahren im offenen
Wettbewerb erhalten haben, und die am Ende ihrer befristeten Tätigkeit
durch eine internationale Kommission erfolgreich begutachtet werden, eine
unbefristete Weiterbeschäftigung zu ermöglichen.


Auch bei der wohl größten Schwäche der Juniorprofessur gibt
es keine Zwietracht, und ich habe auch nichts zu mäkeln.

Leistungsgerechter Wettbewerb

Weg von: Geldvergabe nach Gießkannenprinzip.

Hin zu: Förderung von Spitzenforschung.


Forschungsgelder müssen nach Leistung verteilt werden.
Die jeweiligen Forschungsprojekte werden von unabhängigen Gremien
nach international akzeptierten Kriterien alle drei Jahre evaluiert.
Hochschulmittel gehen nicht wie bislang an einzelne Lehrstuhlinhaber,
sondern an „Departments“, d.h. Fachbereiche und Hochschulinstitute [...]
Konkurrierende Departments können sich durch die Anwerbung von Spitzenforschern
zusätzlich stärken. Dadurch entstehen automatisch Exzellenzzentren.


Dieser Punkt ist einer derjenigen, der bei Pro Science
noch recht unausgegoren zu sein scheinen. Allerdings klingt es natürlich
sehr verlockend, dass allein durch die gute alte Konkurrenz "automatisch
Exzellenzzentren" entstehen...
Mehr Forschung

Weg von: Frontalunterricht und Bürokratie.

Hin zu: zeitgemäßer Lehre, gemeinsamer Forschung.



Professoren sollten grundsätzlich mehr Zeit haben zu forschen. Dafür
müssen sie von Verwaltungsaufgaben entlastet werden und die Gelegenheit
bekommen, sich in der Lehre auf ihr Spezialgebiet zu konzentrieren. Kleine Seminare
und Forschungsgruppen sollten Massenvorlesungen ersetzen. Wenige große
Seminare sollten didaktisch besser gestaltet werden.
Flexiblere Beschäftigungsstrukturen: Professoren
in Deutschland tragen gleichzeitig die Verantwortung für Forschung,
Lehre und die Verwaltung der Hochschule. Im angloamerikanischen Raum werden
diese Aufgaben flexibler verteilt. Dies ermöglicht den effektiveren
Einsatz von Wissenschaftlern entsprechend ihren Fähigkeiten auf den
Gebieten Forschung, Lehre und Wissenschaftsmanagement [...] Dabei ist die
starre Obergrenze für die Befristung von Arbeitsverträgen sowie
die Unkündbarkeit von längerfristig Beschäftigten aufzuheben.
Hier werden recht unterschiedliche Dinge angesprochen: Die
flexiblere Verteilung von Aufgaben (die ich persönlich hier aber nur bedingt
erlebe -- der größte Unterschied scheint die geringere Belastung des Personals
mit der akademischen Selbstverwaltung zu sein) und längerfristige Beschäftigungsverhältnisse
unterhalb der Professur finde ich sehr hilfreich. Auf was die Forderung
von Pro Science hinauslaufen soll, ist eher nebulös. Noch nebulöser
ist hingegen, warum diejenigen, die Lehre anbieten, didaktisch bessere
Lehre in einem offenen Brief an die Politik fordern.

Internationalität

Weg von: Ausgrenzung durch deutsche Hochschulsprache.

Hin zu: Wissenschaftssprache Englisch.


Professoren muss es an deutschen Hochschulen freigestellt sein,
in Englisch zu unterrichten. In jedem Fach sollte es (mit sinnvollen
Ausnahmen, z.B. Literatur-/Sprachwissenschaften) einen durchgängig
englischen Lehrplan geben. Deutschland profitiert vom Input der weltweit
besten Studenten, die zudem ihr Leben lang Deutschland verbunden bleiben.


Diese Forderung halte ich für übertrieben. Ich bin wahrlich
kein Bewahrer des Deutschtums und mehr englische Lehrveranstaltungen hätten
mir sicher nicht geschadet, aber alle Lehrpläne grundsätzlich
auf Englisch umzustellen? Soll man ein einem Luhmann-
oder Hegel-Seminar dann die englischen Übersetzungen lesen? Oder die Originale
lesen, sie dann aber auf Englisch diskutieren?

Studiengebühren

Weg von: Gratis-Studium ohne Leistungspflicht.

Hin zu: Qualität, die teurer ist, aber eingefordert werden kann.


Moderate Studiengebühren, die den Hochschulen zugute kommen, fördern
exzellente Forschung und Lehre. Stipendien für finanziell schwache Studenten
sind selbstverständlich. Wer zahlt, schafft an: Studenten gestalten die
Universität mit und bewerben sich bewusst an der Hochschule, die ihren Idealen
am besten entspricht. Im Gegenzug können Universitäten ihre Studenten
aussuchen und werden finanziell flexibler.

Finanzielle Ausstattung


...zügige Umsetzung des
finanziellen Ziels der Lissabon-Agenda, die Ausgaben für Forschung
und Entwicklung auf 3% des Bruttosozialprodukts zu erhöhen. Mit großer
Sorge sehen wir die Bestrebungen einzelner Bundesländer, Hochschulen
die zusätzlichen
Einnahmen aus Studiengebühren durch gleichzeitige Kürzungen
der Landeszuweisung wieder zu entziehen.

Dass eine vom Handelsblatt initiierte Gruppierung für
Studiengebühren argumentiert, kann kaum überraschen. Ich finde es etwas
frivol, dass Menschen, die vom gebührenfreien (und anscheinend nicht
ganz schlechten) Studium profitiert haben, nun Studiengebühren fordern...Aber
das ist zugegebenermaßen eher ein Argument der gefühlten Gerechtigkeit.

Interessant ist, dass auch die German Scholars offensichtlich schon fest
mit der Einführung von Gebühren rechnen.


Einheitliche Anerkennung akademischer Leistungen


Die
föderale Struktur
des Hochschulwesens in Deutschland erschwert wissenschaftliche Karrieren über
Landesgrenzen hinweg. Wir fordern alle Verantwortlichen dazu auf, die
gegenseitige Anerkennung akademischer Leistungen bundesweit sicherzustellen.
Das gegenwärtige
Nebeneinander von Habilitation und Juniorprofessur ist zugunsten einer
attraktiven Juniorprofessur aufzugeben. Die rechtliche Stellung

der Leiter von Nachwuchsgruppen, die durch ein offenes Auswahlverfahren
entstanden sind, wie z. B. Emmy Noether-Gruppen der DFG und unabhängige
Nachwuchsgruppen der MPG, ist denen der Juniorprofessoren anzugleichen.


Insgesamt finde ich die GSA-Forderungen deutlich ausgewogener und ausgereifter; außer der Angelegenheit mit den Studiengebühren würde ich die Forderungen voll unterstützen. Abgesehen davon kann man natürlich fragen, warum bei der weitgehenden Einigkeit in den Forderungen Pro Science noch eine eigene Initiative starten musste. Wenn man böswillig wäre, könnten einem ja Dinge wie "PR" oder "Werbung" in den Sinn kommen...
Amelie und der TransatlanTicker schreiben übrigens auch zum Thema.